Viele Betroffene leben lange Jahre problemlos mit eingeschränkter Nierenfunktion und fühlen sich kaum beeinträchtigt. Nimmt die Funktion der Nieren rapid ab, wird oft ein Entscheid für Dialyse oder Transplantation fällig. Welche Rolle die persönliche Situation dabei spielt und wie sich das Leben dadurch verändert, zeigen diese beiden Beispiele.
«Mein Leben findet draussen statt», sagt Gustav K., und seine Augen blitzen. Er kommt gerade von der Dialyse. Und wird gleich nach dem Gespräch in seine Ferienwohnung nach Obersaxen fahren. Die Krankheitsgeschichte seiner Nieren begleiten den Zürcher Oberländer schon seit Geburt. Als Säugling hatte er eine so schlimme Nierenbeckenvereiterung, dass die Ärzte der Mutter sagten, sie könne «das Büebli jetzt zum Sterben heimnehmen. » Denn die zweite Niere war eine Schrumpfniere.
Gustav K. aber hat überlebt, intensiv gearbeitet, politisiert, Sport getrieben, weite Reisen unternommen. «Ich bemerkte kaum, dass ich nur eine Niere habe», schaut er zurück, «ausser bei Erkältungen. Und wenn es um Medikamente ging.»
Vor vier Jahren verschlechterten sich seine Blutwerte massiv. Eine Nierentransplantation als Nierenersatz stand zur Debatte. Für Gustav K. keine Option: «Ich war damals 78. Der ganze Prozess wäre erst nach mehreren Jahren abgeschlossen gewesen – ohne Garantie, dass es wirklich funktioniert. Ich fand, sie sollen die Ersatzniere lieber einem jüngeren Menschen geben.»
Nach intensiven Gesprächen mit seinem Arzt Dr. Matthias Neusser fiel der Entscheid auf die Hämodialyse mit Zugang am Arm im Spital Linth – dreimal wöchentlich für dreieinhalb bis vier Stunden. Für Gustav K. eine perfekte Lösung: «Der Weg ist kurz, und wenn irgendein Problem auftaucht oder ein CT gemacht werden muss, bin ich schon am richtigen Ort.»
Er schätzt es, dass sein Arzt über medizinische Fragen hinaus ein Gesprächspartner ist – und ihn auch in organisatorischen Belangen unterstützt, etwa bei Reisen. Sie führten den aktiven Senior schon nach Mallorca, ins Südtirol und immer wieder in die Surselva. Das geht nur, wenn die Dialyse vor Ort gesichert ist.
«Meine einzige Einschränkung ist die Spontanität », sagt Gustav K. denn auch. Von heute auf morgen die Koffer zu packen, liege nicht mehr drin. Und wie schon sein ganzes Leben achtet er darauf, gesund zu bleiben. «Eine zweite Krankheit kann ich mir nicht leisten.» Das Wichtigste in seiner Situation sei die Zuversicht, bemerkt er, bevor er aufsteht und mit beschwingten Schritten den Raum verlässt – Obersaxen ruft.
«Ohne meine Mutter wäre das nicht möglich gewesen », sagt Marina S. (39). Ihre Mutter hat ihr eine Niere gespendet – und ihr damit ein neues Leben geschenkt. Heute geniesst es Marina wieder, Zeit mit ihrer Familie zu verbringen.
Die Geschichte ihrer Nieren begleitet Marina schon von klein auf. Aufgrund einer seltenen Erbkrankheit wurde bei ihr bereits im Säuglingsalter eine Nierenschädigung festgestellt. Abgesehen davon, dass sie Medikamente einnehmen und zu regelmässigen Kontrollen musste, spürte sie lange Zeit nichts von ihrer Erkrankung. «Als Kind und junge Erwachsene hatte ich keinerlei Beschwerden», erinnert sie sich.
Als erste Anzeichen traten erhöhter Blutdruck und Nierenbeckenentzündungen auf. Die erste Schwangerschaft endete in einer Schwangerschaftsvergiftung, die zweite verlief normal. Trotzdem erholten sich die Nierenwerte nicht wieder auf ihr Vorniveau. «Es ging plötzlich schnell abwärts», erzählt Marina. Neue Medikamente konnten den Verlauf zwar bremsen, aber nicht stoppen.
Im Frühling 2023 erhielt sie die erlösende Nachricht: Ihre Mutter kommt als Lebendspenderin infrage. Kurz zuvor musste Marina für zwei Monate zur Dialyse – eine belastende Zeit, gerade mit kleinen Kindern. «Es war eine grosse Erleichterung, als die Transplantation möglich wurde», sagt sie. Die Operation im Frühling 2024 verlief gut, und schon wenige Tage später merkte sie, wie es körperlich bergauf ging. Für die zugrunde liegende Krankheit erhält sie zudem eine hochmoderne Therapie, welche mittels RNA-Interferenz auf den Stoffwechsel einwirkt, damit das neue Organ möglichst keinen Schaden nimmt.
Anderen Betroffenen rät Marina, sich aktiv auszutauschen und Informationen einzuholen: «Der Kontakt zu anderen Transplantierten hat mir sehr geholfen.»
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